Zukunftsfähige Mobilitätslösungen in Bergisch Gladbach
Wie am 13.März 2013 in der iGL Presseschau berichtet wurde, soll Bergisch Gladbach Modellstadt in Sachen Mobilität werden. Ziel der Förderung ist es Anreize zu schaffen,
Bürgerinnen und Bürger aus eigenem Antrieb weg vom motorisierten Individualverkehr hin zum öffentlichen Personenverkehr und zu anderen alternativen Formen der Fortbewegung im städtischen Raum zu bringen.”
Voraussetzung dafür, dass diese Alternativen auch angenommen werden, ist jedoch ihre gefahrlose und bequeme Nutzung. Da passt es schlecht ins Bild, wenn man als Fußgänger und Radfahrer in Bergisch Gladbach nur Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse ist. So habe ich im Ausschuss für Anregungen und Beschwerden angeregt, die “untere” Hauptstraße, zwischen Dechant-Müller-Straße und Driescher Kreisel als “verkehrsberuhigten Geschäftsbereich” mit 20km/h Höchstgeschwindigkeit auszuweisen. (Der Ausschuss tagte am 14.März um 17 Uhr im Rathaus Bensberg, Tagesordnung)
Beweggründe:
Mit Umbau der Verkehrsführung an der Einmündung zur Dechant-Müller-Straße und der wieder in beide Fahrtrichtungen nutzbareren Kalkstraße hat die Hauptstraße in diesem Bereich ihre Funktion im innerörtlichen Vorfahrtsstraßennetz und ihre Bedeutung für den Durchgangsverkehr verloren. Die bauliche Beschaffenheit, wie z.B. die Fahrbahnbreite in Kombination der beidseitigen Parktaschen, lässt ein Erreichen der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit schon auf Grund des §3 StVO nicht zu. Da die Straßenverkehrsordnung allerdings keine scharfe Definition zur angepassten Geschwindigkeit liefert, kann ein Verstoß gegen dieses Gebot allerdings praktisch nicht sanktioniert werden, so dass manche Verkehrsteilnehmer dieses Gebot dort auch gern mal ignorieren.
Durch die auf beiden Straßenseiten gegebenen Parkmöglichkeiten existiert auch ein erhöhter Querungsbedarf durch die dort ein- und aussteigenden Passanten, welche durch eine Reduktion der dort erlaubten Geschwindigkeit besonders profitieren würden. Dies würde wiederum die Attraktivität der in der “Unteren” Hauptstraße angesiedelten Geschäfte erhöhen, da diese leichter und gefahrloser von der jeweils anderen Fahrbahnseite erreichbar werden. – Das geringere Lärmaufkommen durch wegfallendes Hochbeschleunigen, dürfte die Aufenthaltsqualität dort ebenfalls steigern.
Des Weiteren befindet sich auf der Fahrbahn der Hauptstraße eine Haltestelle an der Busse nicht überholt werden können und es hierdurch auch des Öfteren mal zu einem Rückstau kommen kann, welcher dann bis zur Dechant-Müller-Straße zurückreicht. Dabei wird dann auch dort der Verkehrsfluss eingeschränkt. Auch aus diesem Grund hielt ich es für wünschenswert die Hauptstraße für Durchgangsverkehr, welcher durch sie abkürzen möchte, unattraktiver zu machen. Hinzufügen möchte ich noch, dass die seitlichen Gehwege eine so geringe Breite haben, dass die Anlage normgerechter Radwege nicht möglich war und es dadurch auf den alten Radverkehrsmarkierungen hier auch immer wieder zu Unfällen, z.B durch sich öffnende Autotüren oder Konflikten mit Fußgängern kam. Die kürzlich verunglückte Radfahrerin war übrigens illegalerweise auf dem in Richtung Dellbrück linksseitigem Gehweg unterwegs!
Ich gebe zu, dass man dort als legal auf der Fahrbahn fahrender Radfahrer schon ein dickes Fell braucht, da ich dort auch schon bei einem Tempo von knapp 40km/h angehupt worden bin. Ich hielt natürlich angemessenen Abstand zu den auf beiden Fahrbahnseiten parkenden KFZ. Selbst mit dem Auto erlebt man Nötigungsversuche, sofern man dort ”nur” 30km/h fährt.
Auf von mir zu verschiedenen Zeiten gemachten Videos fuhren ca. 70% aller aus Richtung Dellbrück kommenden KFZ durch die Hauptstraße, - wenn man die Fahrzeuge, die aus der Dechant-Müller-Straße kommend in die Hauptstraße abbiegen hinzuzieht waren es 75%. Warum fährt die Mehrheit weiterhin durch die Hauptstraße?
Folgende Punkte fallen ins Auge:
- Zunächst einmal ist der Weg über die Dechant-Müller-Straße länger.
- Die Dechant-Müller-Straße ist auf 30km/h limitiert und an der Kreuzung zur Kalkstraße ist eine Ampel – wenn diese rot ist, erhöht dies nochmal die Tendenz der Ortskundigen die Hauptstraße zu nutzen.
- Routenplaner (selbt Google-Maps) haben teilweise die Kalkstraße noch als Einbahnstraße markiert, so das Ortsfremde durch die Hauptstraße gelotst werden.
- Schlußendlich verfügt der Driescher Kreisel auch noch über einen Bypass in Richtung Odenthal. Nach meinem Emfpinden eine grandiose Fehlentscheidung in der Planung: da Bypässe den größten Vorteil von Kreisverkehren, nämlich die Veringerung der konflikträchtigen Knotenpunkte ad Absurdum führen und damit Unfallgefahren heraufbeschwören. Leider scheint das sich an diesem Kreisel auch zu bestätigen. Eine Reduzierung der Geschwindigkeit kann auch hier zu Sicherheitsvorteilen führen.
Bauliche Voraussetzungen eines verkehrsberuhigten Geschäftbereichs
Die Stadtverwaltung weißt in ihrer Ablehnung meines Vorschlages auf die hohen Kosten für Planung und Umgestaltung der “unteren” Hauptstraße hin. Meines Wissens sind die baulichen Vorraussetzungen für verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche mit denen von Tempo 30-Zonen identisch.
Das heißt:
- Die Fahrbahn muss in Fahr- und Gehbereich aufgeteilt sein. – Dies ist gegeben. (In der ehemaligen Bensberger Fußgängerzone mussten deshalb Fahrbahnmarkierungen aufgebracht werden.)
- An Kreuzungen gilt “rechts vor links” – Auf diesem Abschnitt gibt es keine Kreuzungen.
- Parkflächen müssen gekennzeichnet sein. – Dies ist hier der Fall
- BenutzungspflichtigeRadverkehrsanlagen sind nicht gestattet. - Diese sind nicht vorhanden.
- Lediglich an Anfang und Ende ist die entsprechende Beschilderung aufzustellen.
Weitere Umgestaltungen mögen aus optischen Gründen wünschenswert sein, verkehrsrechtlich notwendig sind sie nach meinem Kenntnisstand nicht.
Die Gegenargumente der Stadt
Als weiteres Gegenargument führt die Stadtverwaltung sich an den der Hauptstraße anschließenden Straßen befindliche Rad- und Fußwege an, welche einer Planungsänderung bedürften. Dort sind mir keine Radwege bekannt, zumindest keine die heutigen Rechtsnormen entsprechen würden.
Abschließend verweist die Stadtverwaltung auf den Kosten-Nutzen-Aspekt, den sie nicht gegeben sieht.
Da frage ich mich, welchen Wert der Mensch in Bergisch Gladbach hat?
Es scheint, als ginge es bei dem Modellprojekt lediglich um das Abgrasen der 93.000 Euro Fördermittel. Von einem “weg vom motorisierten Individualverkehr” ist bei solcher Argumentation nur wenig zu verspüren.